In den Zeiten der Verfolgung durch die Höllen-Ängste, die Kirchen-Moral, dann der Nazis und weiter in der Adenauer-Zeit wieder mit der Moral der Kirchen: Queere Verfolgungsgeschichte wirkt noch weiter. Nicht nur in den alten Biografien: Verquere moralische Vorstellungen sind weltweit noch am Werk …
Die Diskriminierung und Verfolgung der "Anderen Liebe" stammt aus den mittelalterlichen Dämonenängsten und Sündenregistern … der Hexen- und Ketzer- Verfolgungen und schaffte es von dort ins preussische Strafrecht, das dann in allen Ländern des "deutschen Reiches" gelten sollte: Mit dem §175:
Damals wurde über "geschlechtliche Dinge" noch in lateinisch geredet, unter Juristen, Medizinern und Theologen … und Karl Heinrich Ulrichs versuchte mit neuen Worten wie "Urningen" (vom Uranus her orientiert) eine andere Identität und Liebesform zu beschreiben, was später auch Magnus Hirschfeld mit den Zwischenstufen aufgriff: Medizinische Erklärungen für Besonderheiten des Körpers und der sexuellen Orientierung und Psyche auf die Reihe zu bekommen:
Ein junger Mann aus dem Norden meldet sich mit einem Vortrag zu Wort, und die Juristen-Versammlung unterbricht ihn: Er solle doch nicht solche ungehörigen Ausführungen machen, und das gehe noch nicht einmal in Latein: Darin war er auch gut, aber viel zu früh mit seinen Forderungen, auch anders Liebende zu akzeptieren: Erst 1990 wagte es ein Mediziner auf einem internationalen Ärzte-Kongress, die Abschaffung und Streichung der "Krankheit" Homosexualität aus dem IDC, dem Internationalen Verzeichnis der Krankheiten zu fordern, seitdem begehen in aller Welt die bewussten Gruppen den IDAHOBIT* an jedem 17.Mai, um dies zu feiern:
Im Odeon (heute Sitz des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren) tagt der Deutsche Juristentag. In der Plenarversammlung geht es auch um den – aus heutiger Sicht historischen Antrag von Karl Heinrich Ulrichs,
„daß angeborne Liebe zu Personen männlichen Geschlechts nur unter denselben Voraussetzungen zu strafen sei, unter welchen Liebe zu Personen des weiblichen gestraft wird; daß sie also straflos bleibe, solange weder Rechte verletzt werden (durch Anwendung oder Androhung von Zwang, durch Missbrauch unmannbarer [unerwachsener] Personen, bewußtloser etc.) noch öffentliches Ärgernis erregt wird.“
Der Antrag wurde von der Leitung des Juristentages unterdrückt und nicht zur Beratung zugelassen, weil er, wie es im offiziellen Protokoll heißt, „wenn er hier nur zur Verlesung kommen würde, die tiefste Indignation bei allen Anwesenden erregen müßte, weil er im schroffsten Widerspruch nicht blos mit der positiven Gesetzgebung, sondern auch mit dem natürlichen Schamgefühl des Menschen steht.“
Ulrichs schildert den Verlauf der turbulenten Sitzung, berichtet von Zustimmung und Ablehnung, von Unverständnis und Staunen. in: Wolfram Setz (Hrsg.): Karl Heinrich Ulrichs. München, 29. August 1867. 20 Seiten, München o.J., ISBN 978-3-935227-01-9 (Splitter 1 im https://forummuenchen.org/publikation/karl-heinrich-ulrichs-muenchen-29-august-1867
Krank oder von der Schöpfung so gewollt? Ulrichs, ein Jurist, war der Erste, der sich mit dem Wesen der gleichgeschlechtlichen Liebe auseinandersetzte. Und er war der Erste, der sich offen dazu bekannte.
1867 kam er nach München mit einem Manuskript, in dem er Straffreiheit für Sex zwischen Männern forderte. Die Ablehnung und die Vorurteile, auf die er stieß, begegnen uns heute wieder.
Das Forum Queeres Archiv München lädt zum Geburtstag des mutigen Juristen ein. Mit einem Reenactment wird seine fulminante Rede präsentiert und ein Einblick in sein Leben gegeben. Wir treffen uns zu seinem Geburtstag allerdings nicht am Karl-Heinrich-Ulrichs-Platz, mitten im Glockenbachviertel, sondern wegen Regenwetter um 19 Uhr im Sub, Müllerstr. 14. Der Eintritt ist frei
Queere Geschichte in Stadt und Land, in Berufsgruppen und kulturellen Prägungen, in Sittengeschichte und Verfolgung, in medizinischen und psychologischen, auch religiösen Sichtweisen und ihre verbliebenen Tabus: Befreiungsbewegungen wie im Forum Queeres Archiv München
Seit den Jahren um 1969, der ersten Lockerung des §175, sind viele Gruppen entstanden, auch die amerikanische Bewegung von Stonewall bis in die Army wirkte sich aus.