Antikommunismus, (mein Vater sagte noch Bolschewismus), war Staatsdoktrin, die von keinem öffentlich bezahlten Menschen in Frage gestellt werden durfte, auch die SPD hatte noch die Berufsverbote für kommunistische Briefträger, Lokführer etc. durchgesetzt. Die Giftigen Mythen wirken bis heute … nach schwacher "Entnazifizierung" https://de.wikipedia.org/wiki/Entnazifizierung
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv006132.html Absatz 3 / 2.Teil Beschluss des Ersten Senats vom 19. Februar 1957 Stichwort GESTAPO, die Geheime Staatspolizei, ein "kleiner Mitarbeiter" klagt …
"Er persönlich habe weder 1933 noch 1938 wissen können, was 1945 Wirklichkeit geworden sei. Da er nur eine untergeordnete Tätigkeit bei der Gestapo ausgeübt und eine ordnungsmäßige Laufbahnausbildung als Beamter genossen habe, könne er weder den "Polizeipotentaten" des "Dritten Reiches" noch jenen "zahlreichen nicht vorgebildeten Elementen" gleichgestellt werden, die nach 1945 in den Staatsdienst aufgenommen worden seien."
Das Gericht lässt den Satz so stehen … und weist seine Beschwerde ab.
Im Jahr 1946 reiste der junge schwedische Schriftsteller Stig Dagerman ins zerstörte Deutschland. Seine präzisen, sarkastischen Reportagen kann man nun wiederentdecken. Eine Rezension von Ulrich Rüdenauer
Journalistik sei die Kunst, so früh wie möglich zu spät zu kommen, schrieb Stig Dagerman an seinen Freund Werner Aspenström. Und fügte lakonisch hinzu: "Das lerne ich nie."
"Dagerman berichtet vom Überlebenskampf, der so viel Kraft kostet, dass die Scham über die Verbrechen Nazideutschlands wenig Gelegenheit hat, sich zu entfalten – "Hunger", schreibt er, "ist eine Form der Unzurechnungsfähigkeit".
"In anderer Hinsicht aber sind die Deutschen berechenbar: Wie eine Theateraufführung erscheinen ihm die Spruchkammerverhandlungen, die absurde Züge annehmen und tatsächlich gerne von Einheimischen besucht werden – wie die Kinos eine Art Vergnügungsstätte des nach ein wenig Freude lechzenden Volkes. Dagerman fühlt sich an Kafkas fantastische Gerichtswelt im Process erinnert. Alles kommt in diesen Verfahren auf den Tisch, und alles wird unter den Teppich gekehrt.
Wer sich reinwaschen will und es sich leisten kann, kauft sich Kronzeugen; sie kosten ein paar Hundert Mark und bestätigen, dass der Angeklagte Juden ausgesprochen freundlich behandelt habe. Ob kleiner Parteigenosse, SA-Mitglied oder Blockwart, man musste dem Verein halt notgedrungen beitreten, hat sich aber ansonsten tadellos, pflichtbewusst, geradezu aufopferungsvoll verhalten … die übliche Leier.
Der eine leitete einen Kirchenchor, als es längst nicht mehr opportun war, sich kirchlich zu betätigen; der andere hörte unter Lebensgefahr Feindsender; der dritte arbeitet nun für die Besatzungsmächte, was ja ausschließe, etwas mit der Hitlerei am Hut gehabt zu haben. Die Entnazifizierung als Farce: Stig Dagerman läuft bei diesen pointierten Protokollen zur Höchstform auf.
"Auf den flüchtigen Blick wirke diese Nachkriegsgesellschaft zwar ziemlich monolithisch, in Wahrheit aber sei sie "von diagonalen, vertikalen und horizontalen Rissen durchzogen". Sehr feine Risse zuweilen, wer jedoch genau hinschaut, kann sie durchaus erkennen."
Stig Dagerman: Deutscher Herbst. Aus dem Schwedischen, mit einer Briefauswahl und einem Nachwort von Paul Berf. Guggolz Verlag. Berlin 2021. 190 Seiten. 22 Euro.