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emil_gumbel [2025/08/24 03:02]
selbstorg [Die Revolution]
emil_gumbel [2025/08/24 04:05] (aktuell)
selbstorg
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 **Vier Jahre politischer Mord: https://www.gutenberg.org/files/39667/39667-h/39667-h.htm INHALT und einige Auszüge:** **Vier Jahre politischer Mord: https://www.gutenberg.org/files/39667/39667-h/39667-h.htm INHALT und einige Auszüge:**
  
-====VIER JAHRE MORD - eine grausliche Zusammenstellung====+====VIER JAHRE POLITISCHER MORD - eine grausliche Zusammenstellung von Emil Gumbel ====
  
   * Die Morde bis zum März 1919 ... 9   * Die Morde bis zum März 1919 ... 9
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   * Nicht aufgenommene Tötungen ... 82   * Nicht aufgenommene Tötungen ... 82
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-  * ZUR SOZIOLOGIE DER POLITISCHEN MORDE+  * **ZUR SOZIOLOGIE DER POLITISCHEN MORDE**
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   * Das Werden der deutschen öffentlichen Meinung ... 87   * Das Werden der deutschen öffentlichen Meinung ... 87
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   * Die öffentliche Meinung und die Morde ... 142   * Die öffentliche Meinung und die Morde ... 142
   *    * 
-  * TABELLEN+  * **TABELLEN**
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   * 161 von den Regierungstruppen in München Ermordete ... 43 (die juristisch zugeordneten Morde)   * 161 von den Regierungstruppen in München Ermordete ... 43 (die juristisch zugeordneten Morde)
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   * Kappisten und Räterepublikaner in der Provinz ... 105   * Kappisten und Räterepublikaner in der Provinz ... 105
  
-S. 32: Kämpfe um München+**S. 32: Kämpfe um München**
  
 "Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe beträgt nach dieser Zusammenstellung 557. Davon fielen kämpfend 38 Mann der Regierungstruppen, 93 Angehörige der Roten Armee, 7 Russen und 7 Zivilpersonen. Standrechtlich erschossen wurden 42 Angehörige der Roten Armee und 144 Zivilpersonen. Bei 42 Toten konnte weder der Name, noch die Art des Todes festgestellt werden. Vermutlich befinden sich unter diesen 42 unbekannten Personen 18 Russen. "Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe beträgt nach dieser Zusammenstellung 557. Davon fielen kämpfend 38 Mann der Regierungstruppen, 93 Angehörige der Roten Armee, 7 Russen und 7 Zivilpersonen. Standrechtlich erschossen wurden 42 Angehörige der Roten Armee und 144 Zivilpersonen. Bei 42 Toten konnte weder der Name, noch die Art des Todes festgestellt werden. Vermutlich befinden sich unter diesen 42 unbekannten Personen 18 Russen.
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 Die wirtschaftlichen Ursachen dieser psychischen Einstellung liegen auf der Hand. Das deutsche Bürgertum hat eine Zeitlang, ob mit Recht oder Unrecht spielt keine Rolle, die heute herrschende Wirtschaftsordnung, auf der seine Existenz beruht, für bedroht gehalten. In dieser Situation pflegt eine herrschende Klasse stets rücksichtslos ihre Prinzipien über Bord zu werfen, soweit sie sie in ihrem Kampfe hindern, nur um ihre Existenz zu retten. Auch die dritte französische Republik hat zu ihrem Beginn im Kampfe gegen den Kommunismus nach rein militaristischen Motiven gehandelt. Der Sturz der Kommune hat Tausenden das Leben gekostet, die Kommune selbst nur wenigen. Aehnlich schrecken die herrschenden Klassen Deutschlands wegen des ihrer Meinung nach noch immer drohenden Bürgerkriegs vor keiner Verletzung der demokratischen Prinzipien, ihrer eignen Grundlage zurück. Die wirtschaftlichen Ursachen dieser psychischen Einstellung liegen auf der Hand. Das deutsche Bürgertum hat eine Zeitlang, ob mit Recht oder Unrecht spielt keine Rolle, die heute herrschende Wirtschaftsordnung, auf der seine Existenz beruht, für bedroht gehalten. In dieser Situation pflegt eine herrschende Klasse stets rücksichtslos ihre Prinzipien über Bord zu werfen, soweit sie sie in ihrem Kampfe hindern, nur um ihre Existenz zu retten. Auch die dritte französische Republik hat zu ihrem Beginn im Kampfe gegen den Kommunismus nach rein militaristischen Motiven gehandelt. Der Sturz der Kommune hat Tausenden das Leben gekostet, die Kommune selbst nur wenigen. Aehnlich schrecken die herrschenden Klassen Deutschlands wegen des ihrer Meinung nach noch immer drohenden Bürgerkriegs vor keiner Verletzung der demokratischen Prinzipien, ihrer eignen Grundlage zurück.
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 +=====  Der Frieden von Versailles =====
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 +Eine wesentliche Ursache an diesen Zuständen ist auch die imperialistische Politik der Entente. Dem besiegten kaiserlichen Deutschland des 5. Oktober stellte die Entente mit Recht die denkbar schärfsten Waffenstillstandsbedingungen. Aber auch nach der Revolution hat die Entente die ursprünglichen Bedingungen aufrecht erhalten, ja sie noch verschärft. Dies war für eine mögliche deutsche Revolution ein schwerer Schlag. Denn es war die Hoffnung [94] aller geistig Selbständigen in Deutschland, die Entente werde beim Sieg ihr Wort wahr machen, dieser Krieg gelte nicht dem deutschen Volke, er gelte nur einem innerlich zermürbten Feudalismus, der den Frieden der Welt bedrohe. Die Mehrzahl der Deutschen muß also der Opposition mißtrauen, die ihnen die Sache der Entente als gerecht darstellte. Die Entente hat nichts getan, um die ehrlichen Kämpfer auf der anderen Seite, wie Eisner, zu unterstützen. Dadurch hat sie die Reaktion verstärkt und selbst dazu beigetragen, daß nach der Revolution vielfach die alten Leute an der Spitze blieben.
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 +Auch nach dem Waffenstillstand hat die Entente ihre Politik, Unmögliches zu fordern, fortgesetzt und damit dazu beigetragen, daß Deutschland nicht bereit war, das Mögliche zu leisten. Denn diese Forderungen rechtfertigen in den Augen der Deutschen wieder die Politik der alten Regierung, und so treiben Verschärfungen der Ententebedingungen einerseits, und Anwachsen eines neuen deutschen Chauvinismus andrerseits, sich gegenseitig in die Höhe.
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 +Am stärksten hat der Friedensvertrag von Versailles den Nationalismus wieder geweckt. Was man ihm vor allem vorwerfen muß, ist die Tatsache, daß er ein Diktatfrieden ist, daß er Deutschland mehr schädigt, als er der Entente nützt. Der Idee des verletzten Rechtes ist keineswegs Genüge geleistet worden, indem Elsaß-Lothringen auf Grund des angeblichen historischen Rechtes an Frankreich kam. Eine Volksabstimmung hätte den lebendigen Willen der Bevölkerung ergeben und hätte gleichzeitig den imperialistischen Schreiern in Deutschland den Mund gestopft. Posen und Westpreußen sind ohne Abstimmung an Polen gekommen. Die Abstimmung in Ostpreußen, wo die Verhältnisse ähnlich liegen wie in den beiden Provinzen, ergab 95 Prozent für Deutschland. Danzig und Memel wurden gegen ihren Willen von Deutschland abgetrennt. Eupen und Malmedy kamen ohne Abstimmung an Belgien. Die Bevölkerung hatte ein Recht zum Protest, das natürlich wegen der zu erwartenden Ausweisung von niemand ausgeübt wurde. Deutsch-Oesterreich, das in Volksabstimmungen in überwältigender Mehrheit den Anschluß an Deutschland forderte, wurde der Anschluß verboten. Wegen Oberschlesien hat man sich drei Jahre lang nicht zu einer definitiven Lösung entschließen können. Vielleicht wäre jede Lösung besser gewesen, als das Hinziehen und Warten und die dadurch entstandene Spannung.
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 +Endlich hat die Entente so ziemlich in allen Punkten nachgegeben, wo sie nicht hätte nachgeben sollen und nicht nachgegeben in allen Punkten, wo sie hätte nachgeben sollen. Als Beispiel diene die Auslieferungsfrage. Die Entente hätte diese Forderung niemals stellen sollen. Wenn sie aber schon gestellt war, so hätte sie auch durchgeführt werden müssen, da sonst alle nationalen Instinkte erweckt wurden, ohne daß dem verletzten Recht Genüge geworden ist. Auch in der Entwaffnungsfrage hätte die Entente schärfer vorgehen [95] dürfen. Dagegen hätte man die riesigen Besatzungskosten weit besser zum Wiederaufbau Nordfrankreichs verwenden können. In den wirtschaftlichen Forderungen hat die Entente Deutschland sicher Unmögliches zugemutet, wie der katastrophale Sturz der Mark bewiesen hat. Jede ungerechte oder unmögliche Belastung Deutschlands stärkt aber den Nationalismus.
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 +**Weiteres: [[Die bayrische Räterepublik]]**
/kunden/homepages/37/d358059291/htdocs/clickandbuilds/dokuWiki/BefreiungsBewegung/data/attic/emil_gumbel.1755997374.txt.gz · Zuletzt geändert: 2025/08/24 03:02 von selbstorg