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forum-szenen

Die Themen der Teilnehmenden sind ihre Sache

ab der Szenen-Erstellung gehe ich als Theaterpädagoge in die Rolle des Regisseurs:

Probentechniken, der Blick des Publikums: Wo sind wir, was müssen wir wissen, was war die Vorgeschichte der Rollen?

Katholikentag 1984 „von unten“ in München mit einer „Nacht der Solidarität“ mit 10.000 Teilnehmenden in der ausverkauften Olympiahalle, bei der die Gruppe „Homosexuelle und KircheHuK fünf kleine Forumszenen präsentierte, nach einer Aktion am Eingang, bei der jede 20. Person einen kleinen roten dreieckigen Stempelabdruck auf den Handrücken bekam: Später aufgefordert, aufzustehen und zu winken, machten sie sichtbar, wie viele Lesben und Schwule es in der Gesellschaft gibt, die aber unsichtbar bleiben, auch in den Kirchen:

„Hans kommt raus“ konnte in den 12 Minuten in der riesigen Halle nicht wirklich als Forumtheater präsentiert werden, aber wir spielten einmal die Angst, und dann die mutige Version in der Familie, im Beruf, unter Freunden und in der Kirche offen zu seinem „Anders sein“ zu stehen, wie es auch unser roter Button mit der Frage aus dem Beichtspiegel signalisierte: „Allein oder mit Anderen?“

Katholikentag 1988 in Aachen mit der Rüstungsexport-Kampagne aus den kirchlichen Jugendverbänden: Ein gewaltiges goldenes Kalb aus Pappmachè von acht jungen Leuten auf den Schultern getragen, wird mit kirchlich klingenden Litaneien verehrt und einem Zug aus Anzugträgern, Kostümdamen, Bischöfen und Militärs verehrt … in einer Werkstatt nach Mr. Peachum aus der Dreigroschenoper ausgestattet und vorbereitet …

trotzdem werde ich noch einige Szenen aus der Erinnerung kramen, manche wurden auch zu richtigen Installations-Entwürfen, aber die stehen im http://arbeiterarchiv.de und da bin ich grade selten …

Drei Szenen im Altenheim

Montags

Ein schneller Workshop in der Projektwoche der Altenpflegeschule der Inneren Mission, 16 Teilnehmende zwischen 30 und 50, die blockweise Unterricht und Pflegedienst wechseln.

Freitag vormittags

nochmal die Szenen durchspielen und mit ein wenig Probentechniken bearbeiten, die Szenen waren mit einer kursleiterin ausgearbeitet und in verschiedenen Versionen durchgespielt worden.

Freitag mittag

Aufführung vor etwa 60 KollegInnen, LehrerInnen und HeimleiterInnen: Die drei Szenen werden nach kurzer Einführung und Lockerung vorgestellt, die Methoden des "führen" und des Statuen-bauen erklären die schnelle Entstehungsgeschichte der Szenen.

Knappes Personal

und der Kampf um die freien Tage suchen in der ersten Geschichte nach Lösungen: Zuerst braucht es die Rücksprache mit den Verantwortlichen, dann die Forderung nach mehr Personal (von außen).

In der Auseinandersetzung mit Angehörigen

wird die Überlastung in der zweiten Szene auch an diese zurückgegeben, wobei eine positiv offene Vorgehensweise zuerst mehr Zeit braucht, dann aber mehr Kontakt ergibt.

Aus der Ausbildung

stammte die dritte Episode: Der Wechsel zwischen Schule und Pflege-Station forderte mehr Begleitung, aber auch die entwicklung eigener Strategien zur Qualifizierung und zu qualifizierter Selbstdarstellung.

Auf der Pflege-Berufe-Tagung des Ministeriums in Nürnberg

Die Szenen werden rege angenommen, LeiterInnen von Ausbildungs-Stätten verändern mit großer Freude, ein leitender Ministerialbeamter meint zum Forumtheater nach meiner Joker-Arbeit: Sie haben da ein mächtiges Werkzeug!

Statuen bauen kann jedeR

in wenigen Minuten lernen, sie zu lesen und interpretieren, verstehen und Veränderungspunkte zu entdecken, dauert etwas länger und braucht Übung.

Fünf Schritte zur Szene:

Eine Person nehmen, sie ist mit der Hand verbunden, das Gesicht bewegt sich wie die Hand Die Person "einfrieren": Sie bleibt in der Haltung Gestalten von Haltung, Armen und Beinen Das Gesicht wie in einem Spiegel zeigen Die Augen auf einen Reaktionspunkt, einen Satz, ein Wort, einen Ton

Dann kommt die heiße Frage: Wie kommen wir zur Spielszene?

Die fünf Tabubereiche sind ein Ansatzpunkt, heimliche Geschichten aufzuspüren … aber noch lange kein Anfang:

Den machen wir mit dem Erzählen kurzer eigener Erlebnisse von Angst / Ärger / … in einer kleinen Gruppe. Den kurzen Erzählungen folgt die Entscheidung für eine prägnante / gemeinschaftliche Geschichte und der Auftrag an eineN RegisseurIn, die das Schlussbild stellen soll.

Die Vorgeschichte kann dann schon wieder gemeinschaftlich entstehen, vor allem aus unseren eigenen Sätzen in der Situation, die wir uns am Besten merken können.

Sie entstehen immer neu aus den generativen Themen der Teilnehmenden, und oft als Antwort auf eine schlichte Frage: Was hat dich zuletzt geärgert? Wo fühlst du dich am meisten unter Druck? Wie ist für dich eine typische Haltung von "Unter Druck sein"?

Aus einer einzelnen Statue kann eine dialogische Szene entstehen, wenn wir ein Gegenüber hinzufügen, vielleicht in mechanischer Reaktion andauernder Wiederholung.

Wenn die Szene klar und verständlich ist, wird das Publikum sofort darauf reagieren. Dafür brauchen wir manchmal Hinweise des Joker, (bzw. dieser vorher die Information der aufstellenden Person), auf welchen kulturellen Denk-und Sprachhorizonten die Situation entstanden ist: Alter, Rolle, Bindungen, Verbote, …

Beispiele und praktisches Vorgehen: forumtheater und vielleicht Konfliktaufstellung

Ein zweiter Lichtblick ist die "Theologie der Befreiung",

die eine Kirche für die Unterdrückten fordert, notfalls auch gegen die Reichen und Mächtigen. Die Kongregation für die Glaubenslehre (das war früher die u.a. für die Hexenverfolgung zuständige heilige Inquisition) unter Leitung von Kardinal RATZINGER rückte diese Theologie vor kurzem in die Nähe der Ketzerei..

Ob Kardinal RATZINGER sich wohl gefreut hat, als bei der Eröffnungskundgebung ein riesiges Transparent, wohl an die 50 Meter lang, entgegen leuchtetet "Trotz Inquisition, die Theologie der Befreiung LEBT, Herr Ratzinger". Sicher darüber gefreut hat sich Kardinal LORSCHEIDER aus Brasilien.

Dieser mutige Kirchenmann besuchte die "Nacht dar Solidarität", die Abschlußkundgebung des Katholikentags von unten (er war genau über die Zusammensetzung der JKvu - Initiative Kirche von unten - und das Programm für die "Nacht der Solidarität" informiert):

10 000 feierten ihren Katholikentag, die allermeisten davon auch ihr Christsein. Für die Darstellung einer christlichen, wenigstens humaneren Welt, hatte die IKvu aufreibende, mühevolle Arbeit auf sich genommen, nun wurde gefeiert.

Jeder zwanzigste Besucher bekam beim Eintritt in die Olympiahalle einen rosa Winkel auf die Hand gestempelt. Als die "Abgestempelten" aufstanden wurde deutlich, wie groß der Homosexuellen-Anteil an der Bevölkerung ist. Sie setzten sich wieder, versteckten sich wieder. Anschließend zeigte die HuK in einem kurzen Theaterstück Möglichkeiten, dieses "Verstecken" aufzugeben. Der Beifall des Publikums zeigte, daß die HuK in der IKvu zuhause ist.

So mancher heterosexuelle Christ empfand die Vorstellung der Homosexuellen in dieser "Nacht der Solidarität" als das Sensationellste, (wohl, weil es den überkommenen kirchlichen Rahmen am deutlichsten sprengte). Es wurde sogar behauptet, keine weitere Gruppe habe sich so wirkungsvoll -auch auf dem offiziellen Katholikentag- dargestellt, wie die Homosexuellen. "Gebt nicht nach, macht weiter so!" hieß es ermunternd.

Anschließend an die HuK stellten sich die Roma und Sintis den 10 000 vor. Romani ROSE, ihr Sprecher, erklärte sich ausdrücklich auch mit den Homosexuellen solidarisch. Diese Kraft hat er noch nicht lange.

Und dann, später, bebte die Olympiahalle. Kardinal LORSCHEIDER legte in seiner Rede ein eindeutiges Bekenntnis zur "Theologie der Befreiung" ab. Stehend brachten die 10 000 ihm nicht enden wollende Ovationen dar. Könnte man doch öfter so ehrlichen Beifall hören!

A propos "Theologie der Befreiung": In der Schlußkundgebung des offiziellen Katholikentages sagte Hans MAIER, bayerischer Kultusminister und Präsident des ZK der deutschen Katholiken* "Wer Arbeit teilen will muß auch Lohn teilen". Von Profit teilen sprach er nicht.

LORSCHEIDER, der u.a. sagte:"Es gibt keine Theologie, die nicht politisch engagiert ist", vermißte in der "Nacht der Solidarität" andere Bischöfe. Sein Kommentar zu der Auskunft, deutsche Bischöfe kämen nicht zur IKvu: "Die wissen Ja gar nicht, was sie sich entgehen lassen".

Der letzte Satz aus der Vorstellung der HuK möge auch diese Eindrücke eines Schulen von Katholikentag 1984 beschließen* "Ich bin Christ und schwul, das werden mir die da oben nicht austreiben"! Karl-Georg Cruse

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